Reaktion und Richtigstellung der CDU-Fraktion des
Stadtrats Dresden zu zwei Artikeln in der Süddeutschen
Zeitung
01.07.2009
Sehr geehrte Damen und Herren,
"Strafe muss sein", so hieß es am 25.06.2009 zum Thema, und
„Die Brücke der Schande“ titelte Günter Blobel am 22. Juni
in der „Süddeutschen“. Und er hat Recht: Eine Schande
zunächst für all diejenigen, die sich wie er ebenso
anmaßend wie unzutreffend „Freunde Dresdens“ oder gar
„Welterbebewahrer“ nennen, eine Schande aber insbesondere
für das Welterbezentrum unter Herrn Bandarin, das den
Vorgang trickreich und mit einem für eine supranationale
Organisation absolut unglaublichen Mangel an Seriosität
behandelte.
Natürlich werden Sie das nicht, zumindest nicht in Gänze
veröffentlichen. Aber so viel Unsinn und Unwissen zur
Sache, wie gegenwärtig überregional - und leider auch in
Ihrer Zeitung - von weitgehend unbeleckten, aber
selbstverständlich sehr kulturvollen Gutmenschen zur
Waldschlösschenbrücke verbreitet wird – wenigstens der
Versuch, hier etwas vom Kopf auf die Füße zu stellen, ist
wohl den Schweiß der Edlen wert. Und ganz glücklich wäre
ich, wenn ein Journalist gewonnen werden könnte, der mal
nicht in bequemem Epigonentum den dumpfen Unverstand im Tal
der Ahnungslosen geißelt, sondern sich dieses kuriosen
Falls investigativ annimmt – das kann Wunder wirken („All
the President's Men“...).
Vorab zwei Sätze zur Brücke selbst, Viele wissen da nur
schlecht Bescheid: Die Brücke ist seit über 100 Jahren
geplant, schon im 19. Jahrhundert wurden die Straßenzüge
rechts und links der Elbe genau auf diese Elbquerung
ausgerichtet, und seitdem ist die Brücke fest im
Bewusstsein der Dresdner verankert. Sie wurde stets nur aus
wirtschaftlichen Gründen nicht gebaut (1. Weltkrieg,
2.Weltkrieg, die Mangelwirtschaft der DDR), denn sie ist
dringend nötig – nicht als Kniefall vor den bösen, bösen
Autofahrern, sondern als Bypass um das Stadtzentrum von den
Wohngebieten im Südosten zu den großen Industriestandorten
im Norden. Das Stadtzentrum, ein „focal point“ des
Welterbegebiets, wird deutlich von Verkehr entlastet –
bisher führte der Weg auf dieser Relation überwiegend über
die Carolabrücke und reichlich 300 m an der weltbekannten
Frauenkirche vorbei. Auch wichtige Entlastung bei den
innenstadtnahen Radialen, dicht von Wohnbebauung gesäumt,
wie Bautzner Straße, Käthe-Kollwitz-Ufer und besonders bei
der Königsbrücker Straße, deren Verkehr erst mit der Brücke
überhaupt beherrschbar wird.
Grundsatzbeschluss im Stadtrat 1996 mit großer Mehrheit,
internationaler Wettbewerb, Erster Preis Ende 1997 gekürt
von einer Jury unter Prof. Volkwin Marg. ("Der Bogen
fasziniert durch seine Form und Schlankheit... Trotz
angemessener Zurückhaltung im Elbraum setzt diese Brücke
ein Zeichen"). Später Umfallen der SPD, nachdem die Brücke
schlanker als vorgesehen wurde, nämlich ohne
Straßenbahntrasse, eine Busverbindung reicht – also aus
reiner Verkehrsideologie, das Landschaftsbild spielte dabei
keine Rolle.
Inzwischen Januar 2003 Bewerbung Dresdens um den
Welterbetitel für ca. 19 km Elbtal. Die Brücke wurde
mehrfach erwähnt, erhielt eine dreiseitige eigene Anlage
(auf deutsch, keine der Amtssprachen der UNESCO, doch die
Chefin für Europa und Nordamerika ist Deutsche), und die
zwei Visualisierungen der Brücke aus dem Wettbewerb wurden
beigefügt – mehr als A 3 groß. Vom 12. bis 16. September
2003 überprüfte der Gutachter des Internationalen Rates für
Denkmalpflege (ICOMOS), der finnische Architekt Yukka
Yokilehto, den Antrag der Landeshauptstadt Dresden
unmittelbar vor Ort. Er wurde während dieser Zeit vom
Ersten Bürgermeister Dr. Lutz Vogel sowie dem ehemaligen
Präsidenten des Landesamtes für Denkmalpflege und
Sächsischen Landeskonservator Prof. Dr. Gerhard Glaser und
weiteren Vertretern städtischer Ämter betreut und
begleitet. Dabei wurde das Thema Brücke offen angesprochen,
der vorgesehene Standort besucht und Lage und Gestalt der
Brücke bei mehreren Ortsterminen ausführlich diskutiert.
Dies bestätigte Herr Yokilehto in einem öffentlichen
Vortrag am 13.06.2007 in Dresden noch einmal nachdrücklich.
Rückfragen oder Bedenken zur Brücke gab es weder in der
Auswertung noch während der Aufnahme des Dresdner Elbtals
zur 28. Sitzung des Welterbekomitees.
Februar 2004 (fünf Monate vor dem Aufnahmebeschluss)
Planfeststellung, doch Mai 2004 mit nunmehr linker Mehrheit
im Stadtrat Streichung der Haushaltsmittel. Aber die
Dresdner wollten's anders - Bürgerbegehren, Bürgerentscheid
– und große Mehrheit für die Brücke, nach Blobels Logik
stimmte nur ein Sechstel dagegen. Nach Recht und Gesetz
bindet das Alle für drei Jahre.
Für Erleuchtete aber zählt der dumpfe Unverstand der Masse
nicht, an Spielregeln der Demokratie hält sich nur
Mittelmaß. Also betrat unser Günter Blobel forsch die
Bühne. Welterbeuntergangsmärchen machten das
Welterbezentrum nervös – nicht nur Tränen und Dänen,
sondern auch Nobelpreisträger lügen bekanntlich nicht. Dann
ein bestelltes Gutachten eines Professors aus Aachen – sehr
zweckmäßig vom anderen Ende Deutschlands. Nicht ansatzweise
wurde versucht, die Prinzipien des „Wiener Memorandums“ zur
Bewahrung historischer Stadtlandschaften - bindend durch
Beschluss der 15. Vollversammlung der Vertragsstaaten der
Welterbekonvention - anzuwenden – dafür entschuldigt sich
der Gutachter noch geradezu, es war nicht sein Auftrag. In
Teilen ist das Gutachten sehr fragwürdig, eine
Gegenstellungnahme von gleich sieben Dresdner Professoren
existiert – aber jedenfalls, das Ergebnis war, wie es
Kulturerhabene sich wünschten.
Also kam Dresden auf die Tagesordnung der 30. Sitzung des
Welterbekomitees 2006 in Vilnius. Dort wurden dem
Welterbekomitee in Vilnius 2006 gegen die eignen Regeln
(Operational Guidelines) völlig ungeprüft Schauermärchen
aus dritter Hand (von wem wohl?) aufgetischt – alles im
Netz öffentlich nachlesbar. Drei Beispiele: Der
Statusreport beruft sich auf (namenlose) „Gegenstudien“
ohne Quellenangabe und „informiert“: „ Es wird weiter
kritisiert, dass … die Brücke den zentralen Teil der
Innenstadt beeinträchtigen würde“ – einen Stadtplan hatte
man wohl gerade nicht zur Hand. Es geht noch dreister:
„Obwohl das Projekt schon zur Zeit der ICOMOS-Auswertung
existierte, stellt die Bewerbung fest: „Keine Verkehrsadern
sind im Gebiet geplant, aber es gibt die Möglichkeit für
neue Brücken““. Nun lautete schon der nächste Satz in der
Bewerbung: „Eine endgültige Entscheidung zu Anzahl und Ort
ist noch nicht gefallen außer für die Waldschlösschenbrücke
(Ratsbeschluss Nr. V2012-44-2002 vom 30. Mai 2002)“. Das
aber war wohl einfach zu lang, um zitiert zu werden. Und
nach der Niederschrift behauptete ICOMOS (ja, dieselbe
Organisation, die Herrn Yokilehto nach Dresden geschickt
hatte) dann sogar „Die Operational Guidelines erforderten
eine Benachrichtigung (Notifizierung) bei großen Bauwerken
während des Nominierungsprozesses, aber im betrachteten
Fall hätten keine Gestalt angenommenen Pläne zur fraglichen
Zeit existiert.“ Da war wohl Herrn Yokilehtos Handy gerade
kaputt.
Natürlich müssen die Mitglieder des Welterbekomitees dann
zu falschen Entscheidungen kommen. Sie trifft keine Schuld,
denn die 21hohen Beamten aus aller Herren Länder verbindet
vor allem eins: Ihr Kenntnisstand zu Dresden liegt nahezu
bei Null, und bei einer Tagesordnung von über 100 Punkten
müssen sie sich auf das Welterbezentrum verlassen.
Und die deutsche Beobachterdelegation unter Leitung des
SPD-geführten Auswärtigen Amtes? Hat sie die nach dem
Grundgesetz für die Brückenfrage zuständige sächsische
Staatsregierung ordentlich vertreten? Mitnichten!
Kernaussage: Man habe keine Meinung, weil Abstimmungen noch
nicht erfolgen konnten. Zurückweisung von Falschaussagen?
Erinnerung an das „Wiener Memorandum“? Klarstellung, dass
die Seriosität des Komitees für Deutschland vom Bestand
früherer Entscheidungen bei völlig unveränderter Sachlage
abhängig ist? Fehlanzeige. Hätte sich die deutsche
Beobachterdelegation damals klar für die Brücke
ausgesprochen, der Beschluss hätte ganz sicher anders
ausgesehen. Allerdings muss man der Wahrheit zuliebe auch
sagen, dass später – zu spät – wohl als die Brücke nicht
mehr zu verhindern war, es nur noch im das Ansehen
Deutschlands ging, die Dresdner Position gut unterstützt
wurde.
Bei der nächsten Sitzung in Neuseeland war ich dann selbst
mit als Beobachter dabei und bemühte mich, ein wenig über
die ganze Wahrheit zu informieren. Der Vorschlag des
Welterbezentrums, den Titel abzuerkennen am Tag, an dem der
Brückenbau beginnt, wurde im Ergebnis nicht angenommen.
Moderat beschloss man, ihn dann abzuerkennen, wenn der
herausragende universelle Wert der Welterbestätte
beschädigt wird. Und weiteres Ergebnis: für die nächste
Tagung in Kanada erhielt ich keine Akkreditierung (zunächst
„still under review“ dann Schweigen auf alle Nachfragen),
auch der Bundestagsabgeordnete und Brückenfreund Jan Mücke
(FDP) wurde ausgeladen. Die Brückengegner Kaiser und Prof.
Weber waren selbstverständlich herzlich willkommen und
konnten ganz ungestört von unbequemen Wahrheiten ihre
Verdrehungen verbreiten. Folgerichtig der Beschluss:
Titelaberkennung, wenn der Brückenbau fortgesetzt wird. Die
Niederschrift dazu, ja die ist im Gegensatz zu früheren
Sitzungen bis heute nicht im Netz – wer nichts weiß, kann
schwerlich kritisieren. Im Vorfeld dieser Sitzung auch
Bemühen der Stadt, im Rahmen des festgestellten Plans die
Brücke nochmals zu verschlanken - Überarbeitung der Planung
unter Leitung des Baudirektors an der Frauenkirche,
Eberhard Burger.
In diesem Jahr, zur 33. Sitzung des Welterbekomitees,
schließlich konnte unsere Oberbürgermeisterin das Blatt in
Sevilla nicht mehr wenden. Der Wunsch ebenso einfach wie
eigentlich selbstverständlich: Beurteilung der Brücke wenn
sie wirklich steht, bis dahin keine endgültige
Entscheidung. Doch: eine Minute Redezeit für das Oberhaupt
der Stadt nach einer Anreise von tausenden von Kilometern –
das spricht ganz für den Geist der Tagungsleitung. Dass die
Mitglieder des Komitees dennoch Stunden diskutierten und
völlig unüblich geheim abstimmten, zeigt, wie unwohl sie
sich fühlten, in welche Bredouille sie die durch und durch
unseriöse Geschäftsführung des Welterbezentrums brachte.
Eine einzige Stimme entschied schließlich – mancher hatte
die stundenlangen Diskussionen um Dresden, schon das vierte
Jahr in Folge, wohl ganz einfach satt. Und so haben wir nun
eine Weltpremiere - eine Titelaberkennung auf Verdacht und
Zuruf. Eine seriöse Beurteilung am tatsächlichen Objekt –
das wäre ganz simple Empirie, unwürdiger Kleingeist in
einer Welt, die Visionäre braucht.
Kurt Biedenkopf schon früher zum Verfahren (in der „Welt“):
„Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen hat so ein Verfahren
nichts zu tun. Es wäre in Deutschland ohne Zweifel rechts-
und verfassungswidrig“.
Und eine erneute Bewerbung, wie es uns die guten
Komiteemitglieder in ihrer Gewissensnot vorschlugen?
Solange das Welterbezentrum so geführt wird, bewahre uns
der Himmel. Ich will hier niemanden verteufeln. Herr
Bandarin ist ganz sicher wirklich überzeugt, dass die
Brücke dem Wert des Elbtals schadet. Und mit ein paar
Tricks muss man da eben die ahnungslosen Jungs vom
Welterbekomitee ganz väterlich zur richtigen Entscheidung
führen – frühere Entscheidungen, eigene Spielregeln,
rechtsstaatliche Grundsätze – alles nur Bürokratie, auf den
Geist der Welterbekonvention kommt es schließlich an. Der
Zweck heiligt die Mittel, und die Menschheit späterer
Jahrtausende wird es dem Weißen Ritter danken. Solche
Selbstherrlichkeit freilich stört jede menschliche
Gemeinschaft und ist in internationalen Beziehungen
besonders unerträglich. Ein Neuanfang mit einer Führung,
die nicht nur mit Expertise, sondern auch mit Integrität,
Verlässlichkeit, Respekt vor ihren Partnern und guten
Manieren ausgerüstet ist, wäre dringend nötig. Das
Welterbezentrum hat keine Vollzugsbehörden und
Exekutivmacht, sondern muss sich ausschließlich auf die
öffentliche Aufmerksamkeit und auf seinen exzellenten Ruf
verlassen. Dieser ist in ernster Gefahr, in einem Teil
nicht nur der Dresdner, sondern auch der deutschen
Öffentlichkeit schweren Schaden zu nehmen – zwei frühere
Ministerpräsidenten Sachsens brandmarkten das Verhalten des
Welterbezentrums bereits in wichtigen überregionalen
Zeitungen. Das Welterbezentrum sollte seinen guten Ruf
nicht ganz verspielen. Das Welterbe wird ihn noch brauchen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. G. Böhme-Korn
CDU-Fraktion des Stadtrats Dresden
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